Die
Europäische Kommission hat gestern gegen die Deutsche Bahn (DB), die
Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) und die Société Nationale des Chemins de
fer belges/Nationale Maatschappij der Belgische Spoorwegen (SNCB) wegen eines
Verstoßes gegen das EU-Kartellrecht Geldbußen in Höhe von insgesamt 48 Mio.
Euro verhängt. „Fairer Wettbewerb gewährleistet, dass Kunden, die nachhaltige
Verkehrsmittel nutzen, das bestmögliche Angebot erhalten. Ein Kartell zwischen
Bahnbetreibern, die Schienengüterverkehrsdienste auf wichtigen
Eisenbahnkorridoren in der gesamten EU anbieten, läuft dem Ziel eines fairen
Wettbewerbs grundsätzlich zuwider. Der heutige Beschluss sendet ein klares
Signal, dass derartige wettbewerbswidrige Absprachen nicht hinnehmbar sind“, so
Margrethe Vestager,die für Wettbewerbspolitik zuständige
Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission.
Die Unternehmen
waren an einem Kartell beteiligt, bei dem es um die Aufteilung von Kunden ging,
die auf wichtigen Eisenbahnkorridoren in der EU in Ganzzügen erbrachte
grenzüberschreitende Schienengüterverkehrsdienste in Anspruch nahmen. Die drei
Unternehmen räumten ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten einem Vergleich
zu. Die Zuwiderhandlung betraf grenzüberschreitende
Schienengüterverkehrsdienste in der EU, die von ÖBB, DB und SNCB im Rahmen des
Frachtaufteilungsmodells in „Ganzzügen“ erbracht wurden.
Ganzzüge
sind Frachtzüge, die Güter von einem Ort, etwa der Produktionsstätte des
Verkäufers der beförderten Güter, zu einem anderen Ort, etwa einem Lager,
transportieren, ohne zwischendurch aufteilt oder abgestellt zu werden.
Bei dem im
internationalen Eisenbahnrecht vorgesehenen Vertragsmodell der Frachtteilung
bieten Eisenbahnunternehmen, die grenzüberschreitende Schienenverkehrsdienste
erbringen, ihren Kunden im Rahmen eines einzigen multilateralen Vertrags einen
festen Pauschalpreis für die benötigte Dienstleistung an.
Die
Untersuchung der Kommission ergab, dass sich die drei Eisenbahnunternehmen
durch den wettbewerbswidrigen Austausch von Informationen über Kundenanfragen
nach wettbewerblichen Angeboten abstimmten und sich gegenseitig höhere
Preisangebote verschafften, um ihren Geschäftsbereich zu schützen. Die
Unternehmen beteiligten sich damit an einem System zur Kundenaufteilung, was
nach den EU-Wettbewerbsvorschriften verboten ist.
Das
wettbewerbswidrige Verhalten erstreckte sich vom 8. Dezember 2008 bis zum 30.
April 2014. SNCB war daran allerdings erst ab dem 15. November 2011 und
ausschließlich in Bezug auf Transporte durch ÖBB, DB und SNCB beteiligt. Das
Kartell betraf den konventionellen Frachtverkehr (mit Ausnahme des
Automobiltransports).
Geldbußen
Die Geldbußen wurden auf der Grundlage der Leitlinien der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 (siehe auch MEMO) festgesetzt.
Bei der
Festsetzung der Höhe der Geldbußen berücksichtigte die Kommission insbesondere
den Umsatz, den die Kartellteilnehmer mit den fraglichen Dienstleistungen in
der EU im Jahr 2013 (dem letzten vollständigen Jahr der Zuwiderhandlung)
erzielt hatten, sowie die Schwere der Zuwiderhandlung, den Umfang des
betroffenen räumlich relevanten Marktes und die Dauer der Kartellbeteiligung
der einzelnen Unternehmen an der Zuwiderhandlung.
Die Geldbuße
für die Deutsche Bahn AG wurde um 50 Prozent erhöht, da das Unternehmen zuvor für ein anderes Kartell haftbar gemacht
worden war (Sache AT.39462 – Freight Forwarding) und es sich daher
um einen Wiederholungsfall handelt.
Nach der Kronzeugenregelung der Kommission aus dem Jahr 2006 ergeben
sich folgende Geldbußen:
- Den ÖBB wurde die Geldbuße, die
ansonsten insgesamt rund 37 Mio. Euro betragen hätte, vollständig
erlassen.
- Die Geldbußen für DB und SNCB
wurden ermäßigt, um ihre Zusammenarbeit mit der Kommission bei der
Untersuchung zu honorieren. Die Höhe der Ermäßigung richtet sich danach,
wann die Unternehmen ihre Zusammenarbeit angeboten haben und inwieweit die
von ihnen vorgelegten Beweismittel zum Nachweis des Kartells beigetragen
haben.
Darüber
hinaus ermäßigte die Kommission die verhängten Geldbußen nach ihrer Mitteilung über Vergleichsverfahren aus dem Jahr 2008 um
10 Prozent, da die Unternehmen ihre Beteiligung am Kartell eingeräumt und die
Verantwortung dafür übernommen hatten.
Gegen die
einzelnen Unternehmen wurden folgende Geldbußen verhängt:
Unternehmen
|
Ermäßigung
nach der Kronzeugenregelung
|
Ermäßigung
nach der Vergleichsmitteilung
|
Geldbuße
(in Euro)
|
ÖBB
|
100 %
|
10 %
|
0
|
DB
|
45 %
|
10 %
|
48 324 000
|
SNCB
|
30 %
|
10 %
|
270 000
|
Hintergrund
Die
betreffenden grenzüberschreitenden Schienengüterverkehrsdienste wurden in
Ganzzügen erbracht, d. h. in Güterzügen, die von einem Standort (z. B. dem
Produktionsstandort des Verkäufers der beförderten Güter) zu einem anderen
Standort (z. B. einem Lager des Käufers der Güter) befördert wurden, ohne
zwischendurch aufgeteilt oder abgestellt zu werden. Solche Ganzzüge bedienen in
der Regel Großkunden wie Raffinerien oder Chemiewerke, die häufig ein einziges
Gut über lange Zeiträume an ein und denselben Bestimmungsort befördern lassen,
z. B. von den Häfen Rotterdam, Antwerpen oder Hamburg zu großen
Industriestandorten in Deutschland bzw. Österreich.
Am 15. Juli 2015 erließ die Kommission einen
weiteren Beschluss zu Schienengüterverkehrsdiensten. Der Ganzzug-Beschluss (AT.40098) betraf Schienengüterverkehrsdienste auf
Strecken zwischen Mitteleuropa und Südosteuropa (Balkantrain, Soptrain).
Hintergrundinformationen zum Verfahren
Nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise
der Europäischen Union (AEUV) sind Kartelle und andere wettbewerbswidrige
Verhaltensweisen einschließlich wettbewerbsbeschränkender Absprachen zur
Kundenaufteilung verboten.
Die
Kommission leitete die Untersuchung in dieser Sache ein, nachdem die ÖBB auf
der Grundlage der Kronzeugenregelung der Kommission von 2006 einen
Antrag auf Geldbußenerlass gestellt hatten. Daraufhin beantragten die anderen
Kartellmitglieder Geldbußenermäßigung.
Geldbußen
für Unternehmen, die gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen, werden in den
Gesamthaushaltsplan der EU eingestellt. Die Mittel sind nicht für bestimmte
Ausgaben vorgesehen. Stattdessen werden die Beiträge der Mitgliedstaaten zum
EU-Haushalt für das Folgejahr entsprechend gekürzt. Somit tragen die Geldbußen
zur Finanzierung der EU bei und entlasten die Steuerzahler.
Sobald alle
Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden
weitere Informationen zu diesem Kartellfall unter der Nummer AT.40330 im öffentlich zugänglichen Register der Kommission
auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb veröffentlicht.
Weitere Informationen über die Maßnahmen der Kommission gegen Kartelle finden
sich auf ihrer Website unter der Rubrik „Cartels“Diesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN•••.
Das Vergleichsverfahren
Mit dem
heutigen Beschluss wird der 35. Kartellvergleich seit der Einführung dieses
Verfahrens im Juni 2008 (siehe Pressemitteilung und MEMODiesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN•••)
geschlossen. Bei einem Kartellvergleich räumen die Parteien ihre Kartellbeteiligung
ein und übernehmen die Verantwortung dafür. Dann kann die Kommission auf der
Grundlage der Kartellverordnung 1/2003 ein einfacheres und
kürzeres Verfahren anwenden. Die Vorteile eines Vergleichs liegen auf der Hand:
Verbraucher und Steuerzahler haben geringere Kosten zu tragen und in der
Kartellrechtsdurchsetzung werden Ressourcen für andere Fälle frei. Außerdem
können die Unternehmen schneller mit einem Beschluss rechnen und zahlen eine um
10 Prozent geringere Geldbuße.
Schadensersatzklagen
Personen und
Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen
sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der
Verordnung 1/2003 des Rates sind Beschlüsse der Kommission ein bindender
Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war.
Selbst wenn die Kommission gegen die Kartellbeteiligten Geldbußen verhängt hat,
kann Schadensersatz zuerkannt werden. Die von der Kommission verhängte Geldbuße
wird dabei nicht mindernd angerechnet.
Die Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen, die die Mitgliedstaaten bis zum 27. Dezember 2016 in nationales Recht umsetzen mussten, erleichtert es Opfern von Kartellrechtsverstößen, Schadensersatz zu erhalten. Weitere Informationen über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen sowie einen praktischen Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs finden Sie hier.
Quelle: EU-Kommission; Foto: Dimitris Vetsikas auf Pixabay