Talgo 230 offiziell zugelassen
Die Europäische Eisenbahnagentur (ERA) und das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) in Deutschland haben Anfang dieser Woche bekannt gegeben, dass der Zug Talgo 230 die erforderliche technische Zulassung für die Inbetriebnahme durch die staatliche Deutsche Bahn unter dem kommerziellen Namen „ICE L” erhalten hat. Die Typgenehmigung ist auch ein weiterer Schritt in Richtung des Betriebs des Zuges in Dänemark bei Danske Statsbaner unter dem Namen „EC”. Alle Züge wurden vollständig in Spanien entwickelt und hergestellt.
Die doppelte Zulassung durch die ERA und die EBA bestätige nicht nur die Technologie und Fertigungsqualität von Talgo, so das Unternehmen, sondern markiere auch den letzten Meilenstein in einem industriellen Prozess, der 2019 mit einem Auftrag der Deutschen Bahn (DB) über die Lieferung von 23 Zügen begann, später im Rahmen eines Rahmenvertrags auf bis zu 100 Einheiten erweitert wurde und 2020 mit einem Auftrag von Danske Statsbaner (DSB) über acht Züge fortgesetzt wurde, der später auf 16 erweitert wurde.
Entwickelt und hergestellt in Spanien
Die Produktplattform Talgo 230 baut auf dem Know-how von Talgo im Bereich Hochgeschwindigkeitszüge und der Technologie des spanischen Herstellers für Rollende Einsätze auf. Sie bietet leichte Fahrzeuge mit hoher Kapazität und einer kommerziellen Geschwindigkeit von bis zu 230 km/h sowie verbesserten Beschleunigungs- und Bremsfähigkeiten. Dies mache sie ideal für Länder mit hoher Bevölkerungsdichte, zahlreichen städtischen Zentren und vernetzten Eisenbahnnetzen, in denen die Anzahl der Haltestellen und die Vielfalt der Strecken hoch sind, im Vergleich zu Gebieten mit radialen Netzen und weiter verstreuten Städten.
Die ICE L- (Intercity Express Low-floor) und EC- (EuroCity) Züge zeichnen sich durch ihren modularen Aufbau und ihre hohe Interoperabilität aus. Daher wurde die Genehmigung für verschiedene Talgo 230-Zugkonfigurationen erteilt, die sich je nach Strecke und Jahreszeit an die Passagiernachfrage anpassen lassen, mit verschiedenen Längen von 9 bis 21 Wagen, und die an verschiedene Lokomotivtypen gekoppelt werden können. Dank ihrer Interoperabilität maximiert die Talgo 230-Technologie auch die Kompatibilität mit verschiedenen Eisenbahnnetzen.
Internationale Verbindungen
Die Talgo 230-Züge wurden für internationale Verbindungen über Landesgrenzen hinweg konzipiert und sind damit eine attraktive Alternative zum Flugzeug. Aus diesem Grund und in Übereinstimmung mit den Kundenspezifikationen werden sie auch von den nationalen Sicherheitsbehörden Österreichs (BMK) und der Niederlande (ILT) für das gesamte Eisenbahnnetz beider Länder sowie von der Schweizer Behörde (BAV) zertifiziert und anschließend zugelassen, allerdings nur für den Grenzbahnhof Basel. Diese zusätzliche dreifache Zulassung wird in naher Zukunft erwartet.
Die technische Umsetzung des Talgo 230 in Deutschland wird in Phasen erfolgen. Gemäß der kürzlich erteilten Genehmigung können die Zuggarnituren zunächst in Deutschland und bald auch in den drei anderen genannten Ländern mit Lokomotiven von Drittanbietern fahren. Später werden die ICE L-Züge von Lokomotiven der Baureihe Br 105 gezogen, die auf der Messe InnoTrans 2024 vorgestellt wurden und derzeit einer unabhängigen Zulassung unterzogen werden. Diese Lokomotiven werden ebenfalls von Talgo entwickelt und hergestellt.
Ein komplexer Prozess, um maximale Zuverlässigkeit zu gewährleisten
Um diesen Zertifizierungsprozess durchzuführen, arbeitet Talgo seit 2021 eng mit TÜV SÜD Rail zusammen. TÜV SÜD ist eine führende europäische Stelle, die in den drei Säulen des Zulassungsprozesses für die zahlreichen Teilsysteme, aus denen ein Zug besteht, tätig ist. TÜV SÜD ist daher ein “notified body” (NoBo), ein “designated body” (DeBo) und ein “assesment body” (AsBo) gemäß den Richtlinien der Europäischen Union von 2016 über Eisenbahnsicherheit und Interoperabilität. Darüber hinaus führte das TÜV SÜD-Prüfzentrum die Homologationsprüfungen durch. Durch die Zusammenarbeit mit den verschiedenen spanischen Ingenieur- und Expertenteams, die an der Lieferung von Zügen nach Deutschland und Dänemark beteiligt sind, können die Ergebnisse des Zulassungsverfahrens in allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt werden, in denen die Talgo 230-Züge verkehren werden.
Selbst nach der Einführung umfangreicher europäischer Vorschriften zur Vereinheitlichung der Kriterien für die Anerkennung nationaler Zulassungen und zur Einführung eines einheitlichen Zugpasses für die gesamte EU musste der Zertifizierungsprozess für einen interoperablen, modularen Zug wie den Talgo 230 noch mehrere komplexe Phasen durchlaufen. Diese reichten von ersten administrativen Festlegungen mit jeder der vier nationalen Behörden und der Europäischen Agentur bis hin zum abschließenden Zulassungsverfahren, das im März begann und gerade abgeschlossen wurde.
Zwischen diesen beiden Meilensteinen wurden die ersten Züge zunächst in Spanien statischen Zertifizierungstests unterzogen, bevor sie fast zwei Jahre lang dynamischen Tests, Brems-, Aerodynamik- und Elektromagnetkompatibilitätstests auf Gleisen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden unterzogen wurden.
Anfang dieses Jahres gipfelten diese Tests in der Ausstellung von Zertifikaten für das ICE L-Projekt. Diese Zertifikate belegen gegenüber den Behörden ERA und EBA, dass die Talgo 230-Züge für die Deutsche Bahn alle in den geltenden Eisenbahnvorschriften festgelegten Betriebs- und Sicherheitsanforderungen erfüllen. Die beteiligten Teams werden weiterhin aktiv sein, um gegebenenfalls erforderliche zusätzliche dynamische Tests in den Niederlanden oder Österreich durchzuführen.
Dabei war es auch notwendig, mit den verschiedenen Infrastrukturbetreibern in den teilnehmenden Ländern zusammenzuarbeiten, um sowohl die technischen und Kompatibilitätsanforderungen nachzuweisen als auch die Zugtests zu koordinieren. Die beteiligten Infrastrukturbetreiber sind DB Infra Go in Deutschland (der größte in Kontinentaleuropa), ÖBB Infra in Österreich, ProRail in den Niederlanden und SBB in der Schweiz.
Flix: nächster Meilenstein für Talgo T 230
Zusätzlich zu seinen aktuellen Projekten für die DB und die DSB wurde Talgo im Mai beauftragt, Flix, den Münchner Transportriesen, mit einer Flotte interoperabler Züge zu beliefern (PriMa berichtete). Der Auftrag im Wert von rund 2,4 Milliarden Euro bedeutet, dass der spanische Hersteller bis zu 65 europäische Hochgeschwindigkeitszüge auf Basis der Talgo 230-Plattform liefern wird. Dazu gehört eine erste Festbestellung von 30 Zügen im Wert von fast 1,06 Milliarden Euro.
Wie ihre Vorgängermodelle sind die Züge für den Einsatz in Europa konzipiert und werden zunächst für den Betrieb in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden konfiguriert. Sie werden außerdem vollständig interoperabel sein, um den grenzüberschreitenden Betrieb zu erleichtern. Alle Einheiten basieren auf dem gleichen Zugtyp, der gerade die Zulassung erhalten hat.
Quelle/Foto: Talgo
