Evelyn Palla übernimmt
Die Deutsche Bahn stellt die Weichen für eine neue Ära: Nach übereinstimmenden Berichten wird mit Evelyn Palla erstmals eine Frau den Vorstandsvorsitz des bundeseigenen Konzerns übernehmen. Die 52-jährige Südtirolerin folgt auf Richard Lutz, der Mitte August seinen Rückzug erklärt hatte. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) wird Pallas Berufung heute offiziell verkünden, der Aufsichtsrat soll sie in den kommenden Tagen bestätigen.
Von DB Regio an die Konzernspitze
Palla sitzt seit 2019 im Bahn-Vorstand, zunächst als Finanzchefin im Fernverkehr, seit 2022 als Leiterin der Regiosparte. Dort gelang ihr zuletzt die Trendwende: DB Regio schrieb im ersten Halbjahr 2025 einen Gewinn von 103 Millionen Euro – nach einem deutlichen Minus im Vorjahr. Branchenintern gilt Palla als pragmatisch, teamorientiert und nah an der Belegschaft. Symbolisch dafür steht ihr Triebfahrzeugführerschein, den sie 2024 erwarb.
Beruflich bringt sie Erfahrung aus der Industrie (Infineon, E.ON) sowie aus dem Bahnwesen mit: Bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) verantwortete sie mehrere Jahre den Regionalverkehr und die ÖBB-Postbus AG.
Start unter schwierigen Vorzeichen
Die Herausforderungen für die neue Bahnchefin sind gewaltig. Nur 60 Prozent der Fernzüge waren zuletzt pünktlich, die Infrastruktur gilt als marode, zugleich klafft eine Milliardenlücke bei den Finanzierungsplänen für Aus- und Neubauprojekte. Trotz milliardenschwerer Investitionsprogramme kritisierte selbst Noch-Bahnchef Lutz, dass die Mittel nicht reichen, um die Bahn „zukunftsfest“ zu machen.
Zudem läuft im Hintergrund eine weitere Personaldebatte: Schnieder will den InfraGo-Chefposten neu besetzen und setzt auf Ex-Netzvorstand Dirk Rompf. Im Aufsichtsrat regt sich jedoch Widerstand, denn Amtsinhaber Philipp Nagl gilt als Architekt der „Generalsanierungen“ – dem Kernprojekt zur Modernisierung von über 40 Hauptstrecken.
Politik und Verbände fordern Ergebnisse
Fahrgast- und Wettbewerbsverbände begrüßen Pallas Berufung ausdrücklich. Pro Bahn-Bundesvorsitzender Detlef Neuß betont, die Infrastruktur müsse Vorrang haben und das Personal verstärkt werden, um Zugausfälle wie in Mainz künftig zu verhindern. Auch die Verbände Mofair und Die Güterbahnen sehen in Palla eine „Kennerin der Sanierungsbedarfe“ – erwarten aber belastbare Eigentümer- und Infrastrukturstrategien vom Bund.
Matthias Gastel (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete die Entscheidung als „gute Wahl“, verwies aber auf die Abhängigkeit von politischen Rahmenbedingungen: ohne verlässliche Finanzierung, niedrigere Trassenpreise und verbessertes Baustellenmanagement könne auch Palla nicht erfolgreich sein.
Neue Strategie für die Schiene
Parallel zur Personalentscheidung will Minister Schnieder heute seine „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“ vorstellen. Der Titel signalisiert, wohin die Reise gehen soll: pünktlicher, sicherer, sauberer – und wirtschaftlicher. Klar ist: Renditeerwartungen an das Netz sind mit dem Gemeinwohlauftrag unvereinbar.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob Palla und Verkehrsminister Schnieder ein funktionierendes Tandem bilden – und ob es gelingt, die Bahn zurück auf Kurs zu bringen.
