Bürokratie-Monster Trassenpreis
2025 war das bisher verrückteste Jahr in der Geschichte der Schienenmaut: Voraussichtlich erst zwei Tage vor dem Fahrplanwechsel werden die Eisenbahnverkehrsunternehmen erfahren, wie teuer die Trassenkilometer ab dem 14. Dezember sein werden. In „normalen“ Jahren wüssten sie das neun Monate vorher, nämlich dann, wenn sie die Trassen für den kommenden Jahresfahrplan bestellen.
Auslöser dafür war vor allem der Irrweg der Finanzierung der Schieneninfrastruktur über Eigenkapitalerhöhungen statt Baukostenzuschüssen, um nominell die Schuldenbremse einzuhalten. In zwei Jahren hat der Bund das Eigenkapital der bundeseigenen DB InfraGO dadurch verdoppelt (+96 %) und damit die Trassenpreise in die Höhe getrieben, denn Abschreibungen und Zinsen müssen „verdient“ werden. Dies geschieht auf Kosten der Netznutzer und letztlich der Fahrgäste und Verlader im Güterverkehr. Die Ursache der Misere aber liegt tiefer: Im Vollkostenprinzip.
mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann: „Endlich hat die Bundespolitik den Irrtum erkannt und will ab 2026 wieder zu trassenpreisneutralen Baukostenzuschüssen zurückkehren. Damit sind die Schäden für die Schiene aber nicht beseitigt, denn Zinsen und Abschreibungen auf das Eigenkapital müssen noch drei Jahrzehnte gezahlt werden. Nur ein Übergang zum Grenzkostenprinzip mit Qualitätskomponenten kann dieses Dilemma lösen. Damit erreichen wir zwei wichtige Ziele: Wir behandeln die Schiene im Wettbewerb mit Straße und Luftverkehr fairer. Und wir dämmen die überbordende Bürokratie in der Eisenbahnregulierung ein.“
Wie auf dem heutigen Parlamentarischen Frühstück von mofair deutlich wurde, spielt sich der Löwenanteil der hochkomplexen Entgeltregulierung in sogenannten Vollkostenaufschlägen ab, die vom bundeseigenen Betreiber der Schienenwege InfraGO entgegen den Empfehlungen der EU-Kommission erhoben werden und derzeit etwa vier Fünftel(!) der Trassen- und Stationspreise ausmachen. In ihnen schlagen sich kalkulatorische Kosten wie Zinsen und Abschreibungen auf eingesetztes Kapital nieder. Die Grenzkosten hingegen – im Eisenbahnbereich „unmittelbare Kosten des Zugbetriebs“ (uKZ) genannt – werden wesentlich durch die Fahrplanung und den alltäglichen Betrieb, also z. B. die Stellwerke, bestimmt. Deren Kosten sind bei weitem nicht so volatil wie die Vollkostenaufschläge, die in den vergangenen Jahren geradezu explodiert sind.
Da das Schienennetz Teil der Daseinsvorsorge ist, sollte ihr „Vorhandensein“ (Bau und Erhalt) auch von der öffentlichen Hand, also aus Steuermitteln, getragen werden. Lediglich der Betrieb sollte kostenpflichtig sein. Für diesen Betrieb sind die Eisenbahnverkehrsunternehmen auch bereit, einen angemessenen Betrag zu zahlen.
Der derzeitige Vollkostenansatz war aus der Fiktion erwachsen, dass die Schiene ihre Infrastrukturkosten aus sich selbst heraus verdienen könne – eine Idee, die für die Straße niemals auch nur im Ansatz eine Rolle spielte.
Um diese Fiktion zu verschleiern, wurde stattdessen eine sehr aufwändige Entgeltregulierung ins Werk gesetzt, die nicht nur die Höhe der Kosten des Infrastrukturbetreibers berücksichtigt, sondern in komplexen ökonometrischen Verfahren versucht, die Vollkosten nach dem „Markttragfähigkeitsprinzip“ auf die Verkehrsarten zu verteilen. Anders gesagt: Es wird gefragt, welche der drei Verkehrsarten (Regional-, Fern- und Güterverkehr) die immer weiter steigenden Lasten „am wenigsten schlecht“ ertragen kann. Qualität und Verfügbarkeit des Netzes spielen dabei keine Rolle. Die InfraGO bekommt ihre Kosten immer erstattet. Zahlt nicht die eine Verkehrsart, dann die andere.
Damit wurde die politisch zu beantwortende Frage: „Wie viel Eisenbahnverkehr zu welchen Kosten und mit welcher Qualität können und wollen wir uns als Gesellschaft leisten?“ in ein dafür untaugliches rechtsförmiges Verfahren gepresst. Alle Jahre wieder streiten sich Zugangsberechtigte und InfraGO vor der Bundesnetzagentur über relative und absolute Markttragfähigkeiten, Beta-Faktoren, „Weighted Average Capital Costs“ sowie komplexe Regressionsmodelle. Das ist völlig unproduktive Bürokratie, die den Fahrgästen und den Verladern im Güterverkehr kein Iota hilft.
Da jedoch die Vollkostenaufschläge nicht einfach nur gestrichen werden können, sondern auch die künftigen uKZ neu berechnet und die Finanzierung der bisherigen Vollkostenaufschläge aus Haushaltsmitteln geklärt werden müssen, erscheint ein neues Trassenpreismodell schon zum Fahrplanjahr 2027 nicht realistisch – obwohl von Verkehrsminister Schnieder in Aussicht gestellt. Der Haushaltsgesetzgeber wird auch für 2027 noch Trassenpreisförderungen vorsehen müssen. Ob damit eher die eigenwirtschaftlichen Verkehrsarten (Fern- und Güterverkehr) oder eher der SPNV gestützt werden muss, hängt davon ab, ob die Trassenpreisbremse des § 37 Abs. 2 ERegG vor dem EuGH Bestand hat oder für europarechtswidrig erkannt wird.
Quelle: mofair
