DB Cargo vor der Zäsur: Sigrid Nikutta muss gehen
Die Deutsche Bahn steht vor einem tiefgreifenden Umbau ihrer Güterverkehrssparte. Nach Informationen des Spiegel und der Süddeutschen Zeitung soll sich der Konzern Ende Oktober von DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta trennen. Ihre Abberufung ist für den 30. Oktober vorgesehen – ein Schritt, der in der Branche mit Spannung erwartet wurde und die Weichen für einen möglichen Neuanfang im Schienengüterverkehr stellt.
Die Trennung kommt nicht überraschend. Bereits seit Wochen mehrten sich die kritischen Stimmen zu Nikuttas Sanierungskurs bei DB Cargo. Den Ausschlag gab nun offenbar ein internes Gutachten der Unternehmensberatung Oliver Wyman, das Nikuttas Strategie als „objektiv ungeeignet“ bezeichnet, die anhaltende Krise des Staatskonzerns zu überwinden. Auf sieben Seiten legen die Berater dar, dass wesentliche Maßnahmen im „Ideenstatus“ verharrten und zentrale Annahmen zur Wirtschaftlichkeit „unrealistisch“ seien.
Damit wird deutlich: Das Sanierungskonzept, das eigentlich die Wende einleiten sollte, überzeugt weder die Gutachter noch den Aufsichtsrat. Die EU-Kommission verlangt, dass DB Cargo spätestens Ende 2026 wieder schwarze Zahlen schreibt – ein Ziel, das unter den aktuellen Voraussetzungen kaum erreichbar scheint.
Pallas „Neuanfang“: Kurskorrektur mit Signalwirkung
Für die neue Bahnchefin Evelyn Palla, die erst seit kurzem an der Spitze des Konzerns steht, ist der Fall Nikutta die erste große Personalentscheidung – und eine Bewährungsprobe. Palla hat angekündigt, die Bahn „auf links zu drehen“ und „alles anders zu machen als vorher“. Dass sie dabei keine halben Sachen macht, zeigen jüngste Umbesetzungen: Die ehemalige Hornbach-Managerin Karin Dohm soll neue Finanzvorständin werden, Harmen van Zijderveld übernimmt die Leitung von DB Regio.
Mit der möglichen Ablösung Nikuttas und der Einsetzung eines Chief Restructuring Officers (CRO) bei DB Cargo folgt Palla einer klaren Linie: konsequente Neustrukturierung, externe Expertise, und kein Festhalten an gescheiterten Konzepten.
Als Sigrid Nikutta 2020 von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) zur Bahn wechselte, galt sie als Hoffnungsträgerin. Mit Energie, Kommunikationsstärke und einem unerschütterlichen Optimismus wollte sie den Güterverkehr auf der Schiene wieder zukunftsfähig machen. Doch die Realität erwies sich als härter: strukturelle Defizite, ineffiziente Prozesse, und ein europaweit unter Druck stehender Einzelwagenverkehr machten ihre Mission zur Dauerbaustelle.
Zwar leitete sie tiefgreifende Einschnitte ein – tausende Stellen wurden gestrichen, Anlagen verkauft, Strukturen gestrafft –, doch die erwartete Trendwende blieb aus. Die Branche verfolgte diesen Prozess teils mit Sorge, teils mit Skepsis: Reicht Konsolidierung aus, wenn es an Innovationskraft und Kundennähe fehlt?
Wohin steuert DB Cargo jetzt?
Die Zukunft der Güterverkehrssparte bleibt offen. Laut internen Quellen wird über einen externen Sanierungsexperten mit ausgewiesener Restrukturierungserfahrung diskutiert. Ziel ist es, den Turnaround zu schaffen – notfalls mit einem völlig neuen Geschäftsmodell.
Der Druck ist enorm: Sollte es DB Cargo nicht gelingen, innerhalb der kommenden 14 Monate nachhaltig profitabel zu werden, droht laut EU-Vorgabe eine Zerschlagung oder massive Umstrukturierung.
Die Branche blickt daher mit Spannung auf den 30. Oktober, wenn der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn zusammentritt. Es dürfte ein Tag werden, an dem nicht nur über eine Personalie entschieden wird, sondern über die strategische Zukunft des Schienengüterverkehrs in Deutschland.
Quellen: Spiegel, SZ, dpa
