„Die Studie benennt die richtigen Kernmaßnahmen, mit denen der Schienenverkehr in zehn Jahren verdoppelt werden kann.“ Mit diesen Worten bewertet Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen die am 13. März von der Agora Verkehrswende vorgestellte Studie „Bahnpolitische Weichenstellungen für die Verkehrswende – Potenziale und Umsetzungsmöglichkeiten bis 2030“. Die Autoren der Studie hätten sehr gut herausgearbeitet, dass nur die Politik die dafür notwendige langfristig stabile Entwicklung gewährleisten könne.

Die Große Koalition hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt. Sie will bis 2030 den Personenverkehr auf der Schiene verdoppeln und mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern. Der Weg dorthin, so Kerkeling, ist aber derzeit noch unklar, im Güterverkehr fehle sogar noch ein konkretes Ziel. „Wir freuen uns besonders darüber, dass der Studie mit der Verdoppelung der Verkehrsleistung eine griffige Übersetzung des politischen Ziels zugrunde gelegt wurde, das auch durch eine Entlastung der Straßen sichtbar würde. Die Studie zeigt auf, wo jetzt langfristig wirksame, belastbare und nicht zuletzt durchfinanzierte Entscheidungen getroffen werden müssen. Den Rest kann und wird der Markt regeln“, so Kerkeling.

Die Studie nennt fünf Kernmaßnahmen, die die angestrebte Verdopplung möglich machen sollen:

  1. Implementierung eines bundesweiten Integralen Taktfahrplans (Deutschland-Takt)
  2. Infrastrukturelle Kapazitäten für die Verdopplung schaffen
  3. Zielgerichtete Gestaltung der Infrastrukturnutzungsentgelte (Halbierung Schienenmaut)
  4. Digitalisierung mit Augenmaß
  5. Innovationsimpuls für den Schienengüterverkehr

Stärke und Schwäche der Studie zugleich sei die Begrenzung ihrer Maßnahmenvorschläge auf den Schienensektor. Kerkeling: „Nachdem vor allem die Schieneninfrastruktur jahrzehntelang unterfinanziert wurde, darf sich der Staat nun nicht verzetteln. Massiver Straßenausbau und erst recht Oberleitungen für Lkw würden viele der in der Studie vorgeschlagenen Maßnahmen ins Leere laufen lassen.“ Hier müsse sich, so Kerkeling, auch die Agora Verkehrswende deutlich positionieren. Sonst helfe die in der Studie richtigerweise angemahnte „Aufbruchsmentalität zugunsten der Schiene“ und eine „institutionelle Ermöglichungskultur“ im Schienenbereich wenig. Die ebenfalls im Koalitionsvertrag vorgesehene Verpflichtung der Deutschen Bahn AG auf volkswirtschaftliche Ziele übersetzt die Studie richtig, in dem für die DB-Infrastrukturtöchter die Vorgabe der genannten verkehrspolitischen Ziele gefordert wird.

Der Schienengüterverkehr der Zukunft braucht nach Auffassung des Netzwerks dringend massive Innovations-Impulse, die nur gemeinsam von Politik, Herstellern und Betreibern ausgelöst werden könnten. Neue Verkehrs- und Logistikkonzepte benötigten innovative Güterwagen und Verladetechnologien. Ausgangspunkt seien die Transportbedürfnisse und nicht einzelne Technologien. Die Studie habe an dieser Stelle einen weiteren blinden Fleck. Wenn etwa der gesamte Güterwagenbestand oder die Signaltechnik europaweit umgerüstet werden müssten, hätten sich in der Vergangenheit der riesige Investitionsbedarf und die Ungleichheit von Begünstigten und Investoren als besonders hinderlich erwiesen und Stagnation zur Folge gehabt.

Umgekehrt erteilte Kerkeling Ideen eine Absage, defizitäre Teile des so genannten „Einzelwagenverkehrs“ durch Subventionen unter die Arme zu greifen. „Das würde den Wettbewerb verzerren und Innovation verzögern.“ Auch hier weise die Studie in die richtige Richtung, indem sie die Regeln der Infrastrukturfinanzierung ins Visier nimmt. „Die strukturellen Wettbewerbsnachteile der Schiene gegenüber den anderen Verkehrsträgern, insbesondere der Straße, müssen angegangen werden“, so Kerkeling abschließend. 100 Prozent der Schienenwege seien Trassenpreis- oder mautpflichtig, das gelte im Güterverkehr aber nur für sechs Prozent des Straßennetzes.