DB: Rekordverspätungen im Fernverkehr
Im Oktober 2025 erlebte die Deutsche Bahn einen weiteren Tiefpunkt in ihrer Pünktlichkeitsstatistik, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet: Nur 51,5 Prozent aller ICE- und IC-Züge kamen demnach pünktlich ans Ziel – ein neuer Negativrekord. Der Konzern bestätigte damit eine Entwicklung, die für die Branche keine Überraschung, aber ein Alarmsignal ist.
Die Ursachen gleichen sich Monat für Monat: marode Infrastruktur, hohe Baustellendichte und ein überlastetes Netz, das kaum noch Puffer zulässt. Fällt eine Strecke aus, entsteht binnen Minuten ein Rückstau über ganze Regionen hinweg. Besonders deutlich wurde das am 23. und 24. Oktober, als die Pünktlichkeit auf nur 37 Prozent fiel. An jenen Tagen häuften sich Langsamfahrstellen, Weichen- und Stellwerksstörungen, und Sturmtief „Joshua“ legte Teile des Netzes lahm. 95 Prozent aller Fernverkehrsfahrten waren von zumindest einer Störung betroffen – ein Zustand, der kaum Raum für Betriebsstabilität lässt.
Die interne Tagesauswertung zeigt, dass die Pünktlichkeitsquote an Wochenenden regelmäßig um zehn bis 15 Prozent höher liegt. Am 11. und 12. Oktober lag sie bei über 60 Prozent – vor allem, weil weniger Güter- und Regionalzüge das Netz belasten. Diese Entzerrung verdeutlicht ein Kernproblem: Die Kapazität der Infrastruktur reicht in der werktäglichen Verdichtung schlicht nicht aus.
Strategien auf dem Prüfstand
Der Negativtrend entlarvt die Pünktlichkeitsziele der bisherigen Bahnstrategie „S3“ als Illusion. Die Prognosen des ehemaligen Bahnchefs Richard Lutz (65–70 Prozent bis 2025) sind unerreichbar, zumal die Werte seit April kontinuierlich sinken.
Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder zog Konsequenzen: In seiner im September vorgestellten „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“ senkte er die Zielmarken erheblich. Erst 2029 soll die 70 Prozent-Marke wieder erreichbar sein – mit einer langfristigen Vision von 90 Prozent, die bisher völlig abstrakt bleibt.
Die neue Bahnchefin Evelyn Palla setzt auf verbesserte Baustellenkoordination und eine frühere Fahrplananpassung. Ziel ist, planbare statt spontaner Sperrungen zu erreichen. Dennoch wird klar: Ein signifikanter Sprung in der Pünktlichkeit ist kurzfristig nicht realistisch.
Als mögliche Stellschraube steht auch eine Verdichtungspause im Raum – also weniger Zugverkehr auf dem bestehenden Netz. Palla hält dies jedoch nur für den letzten Ausweg: „Bevor wir wirklich Züge rausnehmen, müssen wir alle anderen Themen abgearbeitet haben.“
Der Oktober hat exemplarisch gezeigt, dass das System Schiene in Deutschland an seiner Belastungsgrenze operiert. Ohne substanzielle Infrastrukturmodernisierung bleiben selbst moderate Pünktlichkeitsziele in weiter Ferne. Für Fernverkehrsunternehmen, Planer und politische Entscheider folgt daraus eine klare Botschaft: Der Engpass liegt nicht im Betrieb, sondern im Fundament des Netzes.
dt