Andreas
Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „In dem Fusionsfall
CRRC/Vossloh Locomotives haben wir alle Besonderheiten, die mit der
Übernahme eines europäischen Unternehmens durch ein chinesisches
Staatsunternehmen einhergehen, sehr gründlich geprüft. CRRC
übernimmt mit Vossloh einen wichtigen Hersteller von
Rangierlokomotiven in Europa. Bei der Bewertung der Fusion sind die
Möglichkeiten staatlicher Subventionen, die Verfüg-barkeit von
technischen und finanziellen Mitteln und die strategischen Vorteile
aus anderen Unternehmensbeteiligungen in die wettbewerbliche Prognose
eingeflossen. Wir haben uns auch mit der Gefahr von Niedrigpreis- und
Dumpingstrategien und den Kostenvorteilen aufgrund des staatlich
geförderten Engagements von CRRC in vielen anderen Märkten
auseinandergesetzt. CRRC spielt in chinesischen Industriestrategien
eine wichtige Rolle. Außerdem kann CRRC künftig von dem Know-how
des etablierten Herstellers Vossloh bei den aufwändigen
Zulassungsverfahren für Rangierlokomotiven profitieren. Am En-de
haben unsere durchaus vorhandenen Bedenken aber keine Untersagung des
Vorhabens begründen können. Vossloh Locomotives hat in den
vergangenen Jahren deutlich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt,
zugleich sind neue Wettbewerber mit innovativen Antriebstechniken in
den Markt eingetreten. Neben Vossloh sind inzwischen mehrere starke
Wettbewerber tätig. CRRC spielt auf dem europäischen Markt hingegen
bisher nur eine untergeordnete Rolle.“
Vossloh
Locomotives ist der Marktführer für die Herstellung von
Rangierlokomotiven mit Dieselantrieb im Europäischen Wirtschaftsraum
und der Schweiz. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der
Vossloh AG. Vossloh Locomotives beschäftigt etwa 500 Mitarbeiter und
erzielte Umsätze von mehr als 100 Mio. Euro im Jahr 2019.
CRCC
ist eine Tochtergesellschaft der China Railway Rolling Stock
Corporation, Ltd. und ist der weltweit größte Hersteller von
Schienenfahrzeugen, dessen Aktivitäten bisher stark auf China
konzentriert sind. Die CRRC-Gruppe beschäftigt mehr als 150.000
Mitarbeiter und betreibt zahlreiche Fabriken in China und anderen
Ländern. Im Jahr 2018 wurden damit Umsätze von 27,5 Mrd. Euro
erzielt.
Die
Prüfung des Zusammenschlussvorhabens wies einige Besonderheiten auf.
Durch die starke Marktstellung von Vossloh einerseits und die bislang
sehr schwache Stellung von CRRC auf dem europäischen Markt
andererseits, erlangte insbesondere die Frage Bedeutung, wie die
Beteiligung chinesischer Staatsunternehmen in der Fusionskontrolle zu
bewerten ist. Berücksichtigung fanden auch die weitreichenden
technologischen Ressourcen von CRRC. Wie die Befragung des
Bundeskartellamtes gezeigt hat, erwarten europäische Wettbewerber
infolge der Übernahme künftig Wettbewerbsverzerrungen.
Das
Vorhaben war letztlich freizugeben. Vossloh Locomotives hat in den
vergangenen Jahren deutlich an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die
Muttergesellschaft Vossloh AG hatte bereits 2014 entschieden, das
Unternehmen zu verkaufen. Seitdem sind etablierte
Bahntechnik-Hersteller wie Alstom, Stadler und Toshiba mit
innovativen Antriebstechniken in den europäischen Markt eingetreten
und bieten jetzt ebenfalls Rangierlokomotiven an. In diesem
Fahrzeugmarkt findet derzeit ein Technologiewechsel hin zu
Hybrid-Antrieben sowie sog. „Dual-Mode-Lokomotiven“ statt, die
sowohl mit elektrischer Oberleitung als auch mit Dieselantrieb fahren
können. Das Zielunternehmen Vossloh Locomotives ist mit solchen
Lokomotiven bislang nicht vertreten und dadurch in einen
wettbewerblichen Rückstand geraten.
CRRC
bemüht sich seit Jahren um den Eintritt in die europäischen Märkte
für Schienenfahrzeuge. Bislang hat das Unternehmen in Europa
allerdings nur geringe Erfolge erzielen können, darunter die
Lieferung einiger Rangierlokomotiven an die Deutsche Bahn für die
S-Bahnen in Hamburg und Berlin sowie an die ungarische ÖBB-Tochter
Rail Cargo Hungaria. CRRC ist daher in Europa bisher noch kein enger
Wettbewerber von Vossloh.
Dazu
Andreas Mundt: „Auf der Grundlage unserer Ermittlungen war
auszuschließen, dass die Übernahme zu einer erheblichen
Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem Markt für
Rangierlokomotiven in Europa führen würde. Obwohl es sich bei CRRC
um ein durch den chinesischen Staat stark protegiertes Unternehmen
handelt, das gleich in zwei Industriestrategien – „Made in China
2025“ und „Neue Seidenstraße“ – eine wichtige Rolle spielt,
zeigt der Fall, dass chinesische Staatsunternehmen zwar mit großer
wirtschaftlicher Kraft in Märkte eintreten, dass das aber nicht
generell mit einer Bedrohung für den Wettbewerb gleichgesetzt werden
kann.“
Quelle: Bundeskartellamt; Grafik: CRRC