Die deutschen Verkehrsunternehmen wollen zusammen mit ihrem Branchenverband VDV bis Jahresende 1.000 neue Stellen für Flüchtlinge schaffen.

 

Zwölf Flüchtlinge der Berliner „Chance plus“-Klasse werden seit 1.  März 2016 für eine Ausbildung bei der DB qualifiziert, sechs bei  der S-Bahn Berlin, sechs bei DB Services. (Foto: DB AG)

Zwölf Flüchtlinge der Berliner „Chance plus“-Klasse werden seit 1. März 2016 für eine Ausbildung bei der DB qualifiziert, sechs bei der S-Bahn Berlin, sechs bei DB Services. (Foto: DB AG)

 

Bei den Stellen kann es sich um Praktikums- oder Ausbildungsplätze, Hospitationen oder auch Festanstellungen handeln. „Unsere Branche ist seit jeher Teil der Daseinsvorsorge in diesem Land und wir ermöglichen mit unseren Mobilitätsleistungen täglich hundertausendfach soziale Teilhabe von Menschen. Insofern ist es für uns selbstverständlich, dass wir auch einen Beitrag zur schnellen Integration der Flüchtlinge leisten. Ich spüre in der Branche an dieser Stelle ein unglaubliches Engagement.“, so VDV-Präsident Jürgen Fenske.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hatte bereits im Mai einen Aufruf an seine rund 600 Mitgliedsunternehmen gestartet, um bis Jahresende die 1.000 Jobangebote für Flüchtlinge zu schaffen. Bei den Unternehmen laufen inzwischen die ersten Projekte an. In Dresden zum Beispiel sind seit Anfang Mai neun Asylsuchende beim Begleitdienst Mobiler Service (MOSE) der Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB) im Einsatz. Ihre tägliche Arbeitszeit beträgt fünf Stunden und die Maßnahme läuft zunächst bis zum Jahresende. „Genau solche Beispiele zeigen, dass wir als Branche viele Möglichkeiten bieten können, um diesen Menschen den Start in ihrer neuen Heimat und in einen neuen Job zu erleichtern. Und nicht nur wir können Flüchtlingen neue Chancen bieten – sie sind auch eine Chance für uns. Denn es ist ja kein Geheimnis, dass auch die Verkehrsbranche aufgrund der demografischen Entwicklung in vielen Bereichen Nachwuchssorgen hat. Insofern sehen wir unter den vielen Menschen, die vor Krieg und Vertreibung zu uns geflohen sind, auch ein enormes Potenzial für die Verkehrsunternehmen“, so Fenske weiter.

30.000 Stellen in der Branche müssen bis 2020 neu- oder nachbesetzt werden

Bereits im Jahr 2014 hatte ein unabhängiges Gutachten im Auftrag des VDV einen großen Personalbedarf der Verkehrsunternehmen in den kommenden Jahren festgestellt. Bis zum Jahr 2020 sucht die Branche demnach 30.000 Nachwuchskräfte in allen Bereichen, vor allem aber im Fahrdienst. Bei insgesamt rund 215.000 Beschäftigten im ÖPNV und Eisenbahnverkehr müssen also in wenigen Jahren fast 14 Prozent der Fachkräfte aus Altersgründe ersetzt bzw. neu eingestellt werden. „Angesicht der jährlich steigenden Fahrgastzahlen und Gütertransportmengen und der damit steigenden Verkehrsleistung ist das ist eine gewaltige Aufgabe für unsere Branche, bei der die Flüchtlinge uns ein Stück weit helfen können, und wir ihnen“, erklärt Fenske. Der VDV hat für seine Mitglieder eine Handreichung erstellt, die einen ersten Überblick darüber gibt, was bei der Beschäftigung von Flüchtlingen zu beachten ist und an welche Service- und Kontaktstellen sich Unternehmen vor Ort wenden können. Auch der Erfahrungsaustausch zwischen den Unternehmen wird vom Verband koordiniert und betreut.

Öffentliche Verkehrsmittel sind für Flüchtlinge oft der erste Kontakt im neuen Land

Der VDV-Präsident sieht die Verkehrsunternehmen bei der Gewinnung von Flüchtlingen als potenzielle Arbeitnehmer sogar im Vorteil gegenüber anderen Branchen: „Wenn Flüchtlinge in Deutschland ankommen, stehen unsere Busse und Bahnen bereit, um sie in die Unterkünfte zu fahren. Und auch in den folgenden Wochen und Monaten nutzen diese Menschen hauptsächlich den öffentlichen Nahverkehr, um sich fortzubewegen. Das heißt, sie lernen uns bzw. unsere Leistungen und unser Engagement vom ersten Moment an kennen“, so Fenske.
Die Verkehrsunternehmen sind neben den örtlichen Behörden und Aufnahmeeinrichtungen oft die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge nach ihrer Ankunft. Viele Unternehmen engagieren sich deshalb über die reine Beförderungsleistung hinaus für eine schnelle Integration: von mehrsprachigen Informationsmedien über das öffentliche Verkehrssystem bis hin zur Unterstützung von Spendenaktionen in Zusammenarbeit mit karitativen Einrichtungen. „Für uns sind diese Aktionen selbstverständlich, denn sie entsprechen unserem Selbstverständnis. Die Verkehrsunternehmen sehen sich als Dienstleister für alle Menschen in diesem Land“, so Fenske abschließend.