Die permanent und überproportional steigenden Trassenpreise für die Nutzung des Bundesschienennetzes führen zu existenzieller finanzieller Belastung bei immer mehr Eisenbahnen im Güter- und Personenverkehr. Vor allem die jüngste Eigenkapitalerhöhung, die der Bund für die DB InfraGO beschlossen hat, hat diese Situation weiter verschärft. Der Branchenverband VDV hat zwei Modelle entwickelt, die Lösungswege zeigen, wie man den Teufelskreis aus ständig und überproportional steigenden Trassenpreisen durchbrechen könnte. „40 Prozent und mehr der Betriebskosten sind bei einigen Eisenbahnunternehmen inzwischen allein auf die Trassenentgelte zurückzuführen. Das ist wirtschaftlich nicht mehr tragbar. Wir brauchen dringend eine andere Preissystematik. Oberstes Ziel muss es sein, dass sowohl die Güterbahnen als auch die Eisenbahnen im Personenverkehr wettbewerbsfähig bleiben und nicht durch immer höhere Kostenbelastungen in die Insolvenz fahren“, so VDV-Vizepräsident Joachim Berends.

Der Druck auf die Eisenbahnen durch die steigenden Trassenpreise ist immens, denn Trassenentgelte sind ein relevanter, nicht substituierbarer Teil der Betriebskosten – vor allem intermodal sind sie damit wettbewerbsrelevant. Die aktuellen und zu erwartenden Kostenentwicklungen übersteigen das, was von den Eisenbahnunternehmen getragen werden kann, ohne Auftragsverluste zu riskieren. Bereits für das Fahrplanjahr 2025 (ab Mitte Dezember 2024) stehen nach momentaner Beschlusslage durch die Bundesnetzagentur Steigerungen von durchschnittlich 6 Prozent an, für das Fahrplanjahr 2026 (ab Mitte Dezember 2025) droht eine weitere immense Steigerung von durchschnittlich etwa 19 Prozent.

„Stark steigende Trassenpreise führen zur Verlagerung von Verkehren von der Schiene auf die Straße, weil zum Beispiel die Güterbahnen im Vergleich zum LKW nicht mehr wettberwerbsfähig anbieten können. Insofern ist völlig klar, dass sich an der Bereitschaft öffentlicher Finanzierung bei den Trassenpreisen auch entscheidet, inwieweit die Verkehrswende ein realistisches Ziel bleibt“, so Berends.

Der VDV hat in Abstimmung mit seinen Mitgliedsunternehmen zwei Modelle für eine Neukonzeption des Trassenpreissystems entwickelt. Beide Modelle sind nach fachlicher Einschätzung der Expertinnen und Experten des Verbandes grundsätzlich geeignet, um das Trassenpreissystem fairer, wettbewerbsfördernder und damit zukunftsfähiger aufzustellen. Die Modelle müssen in einigen Punkten weiter vertieft und ausgearbeitet werden. In beiden Modellen ist auch die notwendige haushalterische Absicherung durch den Bund noch zu betrachten. Deshalb wird der VDV als Branchenverband damit nun auf das Bundesverkehrsministerium zugehen, um den Dialog über ein neues Trassenpreissystem und dessen Finanzierbarkeit sowie Umsetzung schnell zu beginnen.

 

Die vom VDV entwickelten Modellansätze im Überblick:

Modell 1: „Nachjustierung“

  • Die Vollkostendeckung für die Bahnen des Bundes wird beibehalten.
  • Die Kosten werden anders (fairer) auf die Verkehrsarten verteilt.
  • Insbesondere entfällt die Sonderregelung für den SPNV (damit wird die Zusatzlast für den Schienengüter- und Personenfernverkehr nach derzeitigem Stand deutlich geringer).
  • Dabei ist auch die intermodale Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen.
  • Für alle Verkehrsarten werden die Preissteigerungen auf ein objektiv und transparent feststellbares Maß begrenzt. Hierzu können z. B. pauschale Festlegungen getroffen werden oder die Anpassung an einen anerkannten Index gekoppelt werden. Auch die Festschreibung für einen längeren Zeitraum sollte diskutiert werden.
  • Die Verzinsung des Eigenkapitals wird bis auf ein Mindestmaß begrenzt (ggf. Maßstab „risikoloser Zins“).
  • Es wird ein Revisionszeitpunkt vereinbart, z. B. drei, fünf (entspräche der heutigen Regulierungsperiode) oder 10 Jahre.
  • Für die nichtbundeseigenen Infrastrukturunternehmen ergeben sich keine Änderungen.

Modell 2: „Neukonzeption“

  • Die Entgelte der Bahnen des Bundes werden auf die unmittelbaren Kosten der Zugfahrt („Grenzkosten“) begrenzt.
  • Damit entfällt die Ausdifferenzierung nach Markttragfähigkeiten einschließlich der Sonderregelung für den SPNV.
  • Die Verzinsung des Eigenkapitals ist nicht Teil der direkten Zugförderungskosten und daher nicht relevant.
  • Die DB InfraGO erhält einen Anspruch auf Ausgleich der daraus entstehenden Deckungslücke. Hierzu kann die derzeitige Anreizsetzung genutzt werden.
  • Die nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE-Bahnen) entscheiden über ihre unternehmerischen Ziele und haben die Wahl, ob sie ihre Infrastruktur nach „Grenzkosten“ oder (ggf. anteiligen) Vollkosten bepreisen möchten.
  • Das Preisniveau im Netz des Bundes sinkt deutlich. Daher sind eventuelle Verwerfungen im Markt von Anfang an zu beobachten und ggf. weiter auszugestalten:
  • Standortkonkurrenz und/oder Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten anderer Infrastrukturbetreiber, die aufgrund ihrer Finanzierungsmöglichkeiten oder anderer Erwägungen keine Grenzkostenbepreisung einführen können.
  • Verschiebung ehemals gemeinwirtschaftlicher Leistungen in die Eigenwirtschaftlichkeit (SPNV).
  • Der Anreiz, Mehrverkehr auf der Schiene anzubieten steigt, damit nehmen die Konkurrenz um knappe Trassen und die Herausforderung, die Regeln für die Kapazitätszuweisung weiterzuentwickeln, zu.
  • Es wird ein Revisionszeitpunkt vereinbart, der wegen der Tragweite der Änderungen tendenziell kürzer sein sollte als bei Vorschlag 1.

 

Quelle/Foto: VDV