Neue Ernsthaftigkeit in der Eisenbahnpolitik
Die Bahnverbände bescheinigen der Bundesregierung sechs Monate nach Amtsantritt eine „neue Ernsthaftigkeit“ in der Eisenbahnpolitik. In ungewöhnlich kurzer Zeit habe die Politik ihren Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag bereits erste konkrete Taten folgen lassen, teilten die acht Bahnverbände am Dienstag im Rahmen eines Hintergrundgesprächs zum Auftakt der Eisenbahnmesse Innotrans in Berlin mit.
Insbesondere bei den drei Kernanliegen des Bahnsektors – Halbierung der Trassenpreise, Deutschlandtakt und Innovationsförderung – seien Dinge auf den Weg gebracht worden, resümierte das Verbändebündnis. Bei der Verkehrswende fehle es der neuen Regierung dagegen noch an Entschlossenheit und der richtigen Weichenstellung: Die Haushaltsmittel für die Schiene sollen bis 2021 wieder sinken, während für den Neubau von Autobahnen in den nächsten drei Jahren Rekordsummen fließen. Die Bahnverbände betonten weiterhin, dass es mehr Kostengerechtigkeit im Verkehr brauche. So habe das Bundesverkehrsministerium endlich wieder eine eigene Eisenbahnabteilung eingerichtet. Der Bundesbeauftragte für den Schienenverkehr, Enak Ferlemann, werde im Oktober erstmals das „Zukunftsbündnis Schiene“ einberufen. Außerdem sei eine Förderrichtlinie in Kraft getreten, die Anstrengungen der Bahnen für mehr Energieeffizienz fördere. Und schließlich habe der Bund die Trassenpreise im Schienengüterverkehr gesenkt. Wenn der Bund seine Umweltziele erreichen wolle, sei er auf den Beitrag des Verkehrssektors angewiesen. Die Allianz pro Schiene, in deren Räumlichkeiten die Veranstaltung zu verfolgen war, verwies auch auf den Umweltvergleich in dem die Bahnen in allen wesentlichen Umweltparametern vor Pkw, Lkw, Flieger oder Binnenschiff liegen.
Der Geschäftsführer von Mofair, Matthias Stoffregen, lobte, dass die Trassenpreishalbierung im Güterverkehr schon für das zweite Halbjahr 2018 greifen werde. „Die Bundesregierung hat sich auch für den Personenverkehr einiges vorgenommen: Die Fahrgastzahlen sollen sich bis 2030 verdoppeln“, sagte Stoffregen mit Verweis auf den Koalitionsvertrag. „Die Große Koalition wäre gut beraten, auch im Personenverkehr die Trassenpreise zu halbieren.“ Geringere Gebühren für die Bahninfrastruktur seien für alle drei Verkehrsarten – Güterverkehr, Fernverkehr und Nahverkehr – ein „entscheidender Schritt für ein besseres Angebot an die Kunden“, sagte Stoffregen, „die Ampel ist auf Gelb.“
Frank Zerban, Hauptgeschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr (BAG-SPNV), begrüßte, dass die Bundesregierung die Forderung der Bahnverbände nach Einführung des Deutschland-Takts aufgenommen und im Koalitionsvertrag verankert habe. Zugleich warnte Zerban die Politik davor, die Aufgabe zu unterschätzen. „Der Deutschland-Takt ist mehr als nur ein vertakteter Fernverkehr. Er ist die Verknüpfung von Nah- und Fernverkehr und zugleich die Grundlage für einen verbesserten Güterverkehr mit vordefinierten Systemtrassen.“ Ohne zusätzliche Investitionen ins Schienennetz werde es keinen Deutschlandtakt geben, sagte Zerban und kritisierte, dass der Invest ins Schienennetz ab 2020 wieder sinken solle. „Das Netz ist der entscheidende Faktor. Deshalb warten die Bahnverbände mit Spannung auf den Zielfahrplan 2030 plus, den das Bundesverkehrsministerium bis Ende des Jahres ausarbeiten lässt“, sagte Zerban.
Für die Innovationsförderung – der dritten Kernforderung der Bahnverbände – stehen derzeit die konkreten Entscheidungen noch aus. Bei den heute beginnenden Beratungen des Bundeshaushalts müssten die Bundestagsfraktionen die nötigen Mittel für den Start bereitstellen. Auch Ankündigungen des Ministeriums, die Eisenbahnforschung wieder aufzubauen, sehe die Branche positiv. Allerdings sei noch mehr Tempo und Einbindung der Branche erforderlich.
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